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 Der Karlsruher Münzskandal

Wertseite 50 Pfennig ''Bank Deutscher Länder'' - Jaeger Nr. 379   
Wertseite 2 Deutsche Pfennige Jaeger Nr. 381 aus Bronze  
Betroffene Münzen (Auswahl und Beispiele des Münztyps):
50 Pfennig "Bank Deutscher Länder" (Jaeger Nr. 379)
2 Pfennig (Jaeger Nr. 381a)
Lizenz CC BY-SA
 
   
Über einen Zeitraum von mehreren Jahren hinweg entstanden in den späten 1960er und frühen 1970er Jahren in der staatlichen Münzstätte in Karlsruhe eine Vielzahl illegaler Nachprägungen. Diese Arbeiten wurden von Mitarbeitern der Prägestätte mit echten Stempeln und auf Prägemaschinen durchgeführt, auf welchen auch die regulären Stücke produziert wurden. Aufgefallen sind die nachgemachten Münzen durch Kombinationen von Werkzeugen, welche zum Zeitpunkt der Prägung der echten Stücke teilweise noch garnicht vorhanden waren (falsche Stempelkoppelung) sowie durch Münzen, welche es im Original so nicht gegeben hat. An den illegalen Machenschaften waren der Direktor der Staatlichen Münzanstalt Karlsruhe, sein Stellvertreter sowie ein Münzfacharbeiter beteiligt.

Diese drei Personen prägten alle seit 1949 in Karlsruhe produzierten Kursmünzen nach. Der Schwerpunkt lag aber bei Münzen, welche im Ursprungsjahr nur in geringer Auflage hergestellt wurden und inzwischen als Sammlerstücke sehr begehrt waren.

Dies betraf in besonderem Maße das 50-Pfennig-Stück aus dem Jahre 1950 mit der Umschrift "Bank Deutscher Länder". Von dieser seltenen Münze entstanden auch illegale Nachprägungen in Spiegelglanz, obwohl die originalen Stücke nur in stempelglanz produziert wurden. Ein ebenfalls rares und von den Nachprägungen besonders betroffenes Stück war die Zwei-Pfennig-Münze von 1967 aus kupferplattiertem Eisen. Im Original gab es dieses Stück lediglich im Kursmünzensatz des gleichen Jahres in einer Auflagenhöhe von 520 Exemplaren.

Des weiteren wurde mehrfach das 5-Mark-Stück 1967 G (Wertseite mit Originalwerkzeug, Adlerseite sowie Rand mit modernerem Gerät aus den 1970er Jahren) nachgeprägt. Gleiches gilt für das 1-Mark-Stück 1967 G. Das nachgeprägte 50-Pfennig-Stück 1967 G weist einen vergrößerten Kennbuchstaben "G" auf, wie er erst seit 1971 Anwendung fand. Auch die 5-Pfennig-Münze 1967 G wurde ebenfalls mit einem zu modernen Rändeleisen hergestellt. Weitere häufig nachgemachte Münzen sind das 5-Mark-Stück 1961 G in Spiegelglanz sowie das 2-Mark-Stück "Max Planck" 1959 G (dieser Jahrgang wurde offiziell nicht in Karlsruhe geprägt). Viele der anderen nachgeprägten Kursmünzen sind von den Originalen nicht zu unterscheiden.

Am Anfang der zahlreichen illegalen Nachprägungen stand ein inoffizieller Auftrag, für das Münzenmuseum der Bundesbank aus jedem Jahrgang rund 20 Kursmünzensätze in Spiegelglanz aus der bisherigen DM-Ära anzufertigen. Das Museum hatte diese Münzen aber nie abgerufen, so daß diese lange Zeit im Tresor herumstanden. Die Überlegung, die fast vergessenen Stücke wieder zu vernichten, wurde von den drei in den Vorfall verwickelten Personen verworfen und entschieden, diese Münzen untereinander aufzuteilen. Vor allem die seltenen Sammlerstücke waren bereits in den frühen 1970er Jahren sehr begehrt und konnten zu hohen Preisen abgegeben werden. Das weckte vermutlich die Gier der Beteiligten und gab den Anlaß zu weiteren illegalen Nachprägungen für die eigene Tasche. Am Ende verloren die "Drei von der Prägestätte" jegliches Maß und stellten die Raritäten in solcher Stückzahl her, daß dies Aufmerksamkeit erregen mußte.

Im November 1974 erhielt die Bundesbank eine Information von einem Münzsammler und Publizisten, welcher durch das prägefrische Erscheinungsbild, die bei einigen Exemplaren im Original nicht anzutreffende Sammlerausführung in Spiegelglanz sowie die Häufigkeit der angeblichen Raritäten Verdacht geschöpft hatte. Die Bundesbank kontaktierte darauf hin die Münzstätte in Karlsruhe und versuchte zunächst in Eigenregie, den Fall aufzuklären. Es vergingen etwa zwei Monate, bis der Staatsanwalt eingeschaltet wurde. In diesem Zeitraum konnte von den Tätern möglicherweise belastendes Material beiseite geschafft werden.

Mitte Januar 1975 erfolgte der Zugriff der Staatsanwaltschaft bei den verdächtigen Personen. Es konnte zahlreiches Beweismaterial sichergestellt werden. Bei den Fälschern fand man rund 600 nachgeprägte Münzen, bei einem Sammler in Karlsruhe ca. 300 Stück. Die Untersuchungen ergaben, daß die Täter weitere Exemplare über andere Händler verkauft hatten. Nach polizeilichen Ermittlungen wurden über einen Zeitraum von mindestens sechs Jahren hinweg etwa 1650 bis 1700 Exemplare seltener Münzen mit einem damaligen Sammlerwert von rund 500.000 D-Mark hergestellt.

Das Hauptmotiv - wenn nicht sogar das alleinige - der drei Täter war es, mittels der Nachprägung rarer Münzen auf einfache und leichte Weise zusätzliches Geld zu verdienen. Der Direktor der Münzstätte gab außerdem ausgewählte Sammlerstücke an zwei seiner Vorgesetzten im Bundesfinanzministerium weiter, um sich deren Wohlwollen zu sichern.

Der als Karlsruher Münzskandal in die Geschichte der Münzfälschungen eingegangene Vorgang stellte sich schnell als juristischer Präzedenzfall dar. Kein vergleichbares Vergehen war jemals zuvor vor einem Gericht verhandelt worden. Das machte die Urteilsfindung besonders schwierig.

Das Landgericht Karlsruhe verurteilte die Angeklagte nicht auf Falschmünzerei, sondern lediglich wegen Betrugs und Diebstahl von Münzmetall zu Freiheitsstrafen auf Bewährung. Das Gericht war der Meinung, daß es sich bei Produkten aus einer staatlichen Prägestätte nicht um Falschgeld handeln kann, auch wenn ein Auftrag zur Prägung der Stücke nicht vorlag. Bei der Revision des Urteils vor dem Bundesgerichtshof kamen die dortigen Richter zu der Auffassung, daß es sich bei den Nachprägungen sehr wohl um Falschgeld handelte - eben weil der Prägeauftrag des Finanzministeriums fehlte. Alle betroffenen Münzen müßten folglich eingezogen und vernichtet werden. Es erfolgte ein Rückverweis an das Landgericht Karlsruhe, welches das Urteil nun geringfügig abänderte. Die Richter unterstellten den Angeklagten, daß ihnen die Sachlage der Falschmünzerei nicht bewußt gewesen sei. Das ursprüngliche Strafmaß blieb im Wesentlichen erhalten. Dieses neue Urteil wurde vom Bundesgerichtshof bestätigt. Die gesamte juristische Aufarbeitung des Karlsruher Münzskandals dauerte etwa fünf Jahre.

Die Gesamtzahl aller nachgeprägten Münzen ist heute nicht mehr genau zu ermitteln. Sie liegt vermutlich höher als die von der Polizei benannte Anzahl. In vielen Fällen können die fraglichen Stücke von Fachleuten oder sogar Laien mit Hilfe der einschlägigen Literatur leicht an der nicht originalen Stempelkopplung bzw. der Prägung in Spiegelglanz erkannt werden. Einige der nachgeprägten Münzen sind allerdings vom Aussehen und vom Material her mit den Originalen praktisch identisch. Hier die legalen und illegalen Prägungen auseinanderzuhalten, dürfte daher fast unmöglich sein.



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